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Warum du einen Digital Detox ausprobieren solltest

Ein minimalistisches schwarzes Mobiltelefon zeigt eine Textnachricht von „Henri“ auf dem Bildschirm, liegend auf einer weißen Oberfläche mit unscharfem grünen Hintergrund.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich mein erstes Smartphone bekam – ich packte es im Bus aus und war fasziniert vom Touchscreen, den ich ehrlich gesagt für „magisch“ hielt. Ab dem Moment, in dem es startete, veränderte sich meine Beziehung zum Mobiltelefon für immer: Bis dahin war es nur ein passiver Plastikklotz gewesen, der meine Befehle mit wenig Begeisterung ausführte. Doch dank technischer Fortschritte hatte es sich plötzlich in einen eifrigen persönlichen Assistenten verwandelt: Es weckte mich rechtzeitig, informierte mich über meine nächsten Termine und schlug mir den besten Weg dorthin vor. Aber je mehr man sich auf jemanden verlässt, um das eigene Leben zu organisieren, desto abhängiger wird man. Und dieser glänzende Taschenassistent wusste das von Anfang an.

Die idyllischen Plakatwerbungen mit perfekt geteilten Familienurlaubsmomenten verschleierten eine düstere Wahrheit: Unsere Fotos, Musik und Kontakte wurden langsam aber sicher aus unseren Händen gerissen und in die Cloud verschoben – natürlich zu unserem „Besten“. Mit den neuen Funktionen kam auch der Druck zu antworten: Plötzlich gab es eine digitale soziale Verantwortung, bei der Apps wie WhatsApp es ermöglichten zu sehen, wann jemand zuletzt online war – und daraus wurde gleich eine Bedeutung abgeleitet. Es ist nicht ganz das dystopische Zukunftsbild aus den Terminator-Filmen, aber ich würde sagen: Allein Snapchat zu stoppen, wäre Grund genug gewesen, Arnie zurückzuschicken.

Noch vor gar nicht so langer Zeit habe ich die Erfindung des Smartphones als Geschenk des Himmels gefeiert. Es war eine willkommene Ablenkung in den „Leerlaufmomenten“ des Lebens – beim Warten auf den Bus, in stehengelassenen Zügen oder beim Weg zur Arbeit. Wenn ein Freund sich verspätete, konnte man das mit dem Blick aufs Smartphone kaschieren – ein soziales Tarnsystem, das einen zu einem von vielen machte. Niemand dachte „armes Schwein“, sondern „geschäftiger Profi“.

Doch Ende 2016 hatte ich genug. Ich war es leid, keine ordentlichen Gespräche mehr führen zu können, weil die Augen meines Gegenübers ständig nach unten wanderten – als wäre ihr kleiner Plastikassistent eifersüchtig. Ich war es leid, Sklave des Ladegeräts zu sein, weil der Akku nie einen ganzen Tag durchhielt – Apps schließen wie in einer Low-Budget-Version von Apollo 13. Und ich hatte genug davon, im Bett zu liegen, mit blauem Licht im Gesicht, durch Facebook-Feeds zu scrollen, voll von idealisierten Bildern einer Realität, die so oft nicht der Wahrheit entspricht. Also habe ich am 1. Januar 2017 die Scheidung von meinem Smartphone eingereicht.

Ich las, dass eine Firma namens Punkt Menschen dazu ermutigte, sich vom Smartphone zu entwöhnen – mit ihrem robusten Retro-Handy MP01, entworfen von Jasper Morrison. Also machte ich bei der Digital Detox mit – und habe es nicht bereut. Diese Initiative bot die Möglichkeit, sich von der neuen Smartphone-Versklavung zu befreien, ohne auf ein Gerät zurückgreifen zu müssen, das wie ein Fundstück aus der Krimskrams-Schublade wirkt. Digital Detox ist ein großes Opfer: keine E-Mails, keine Fotos, kein WhatsApp, keine sozialen Medien – du wirst zurückgeworfen in eine Sepiawelt, in der SMS und Anrufe genügen. Wie lang und intensiv du detoxen willst, liegt bei dir: am Wochenende offline oder abends beim Familienessen das Smartphone weglegen – allein der Wunsch zur Veränderung zählt.

Seit ich die Herausforderung angenommen habe, hat sich mein Leben wirklich verbessert. Ich telefoniere wieder öfter, weil Nachrichten unpersönlicher (und anstrengender) sind. Ich liebe es, kein zermürbendes Zahnrad mehr in einer 20-köpfigen WhatsApp-Gruppe zu sein, bei der man morgens erst mal 50 Nachrichten sortieren muss. Dass keine Arbeitsemails mehr auf dem Handy hereinflattern, ist ein Segen – wie oft habe ich aus dem Affekt geantwortet und es später bereut! Jetzt muss ich warten, bis ich zu Hause bin. Und das Beste: Ich fange an, meine Umgebung wieder bewusst wahrzunehmen. Geh heute mal mit offenen Augen durch die Straßen – du wirst merken, fast alle starren nur aufs Handy. Beim Gehen, Sitzen, Rennen – alle blicken nach unten. Manchmal denke ich: Wenn heute die Aliens wie in Independence Day landen würden, würde es Stunden dauern, bis jemand die UFOs bemerkt!

Das ist jetzt meine neue Lebensmission – und bisher läuft es gut. Ich bin nur zu Hause oder im Büro in sozialen Netzwerken und E-Mail aktiv. Draußen müssen mich Leute anrufen oder – verrückte Idee – einfach persönlich ansprechen. Ich kann dir nur raten, es auszuprobieren. Und wenn du das nächste Mal einen gestressten Geschäftsmann beim E-Mail-Scrollen im Zug siehst oder eine übermüdete Nachtschichtkraft beim virtuellen Früchtespielen – denk daran: Der Notausgang zur Digital Detox steht dir jederzeit offen.

Andy Bush
@bushontheradio