Paperboy

Als ich ein Kind war, habe ich etwas im Fernsehen gesehen: Ein Handheld, das war bei Star Trek. Es sah wohl eher wie ein Klapptelefon als wie ein heutiges Smartphone aus, aber die Idee, dass Videotelefonate und Ortungsdienste möglich sein könnten, klang für mich so fantastisch, dass ich mir aus einem Stück Pappe meinen eigenen „Kommunikator“ baute.

Springen wir 22 Jahre weiter.

Als ich letzten Sommer umgezogen bin, fanden mein Plattenspieler, meine Schreibmaschine und ein Stapel leerer Field Notes-Notizbücher als erstes ihren Platz in meiner neuen Wohnung. Meine Freundin zieht mich gern dafür auf, dass ich diese Notizbücher sammle. Das hört sich jetzt vielleicht wie ein Klischee von einem Dichter an, aber bei einer leeren Seite kribbelt es mir in den Fingern. Papier und Stift bergen das Versprechen, Gedanken in geniale Worte und perfekt gemeißelte kleine Sätze zu verwandeln. Zumindest theoretisch.

Ich lebe vom Schreiben. Mein Fachgebiet ist das Corporate Publishing, das macht mich zum Journalisten für Marken. Meine Arbeit gefällt mir. Ich darf Geschichten erzählen. Aber nach langen Tagen in der Agentur, an denen Konzepte und Texte heruntergeschrieben werden, verlangt mein Kopf in meiner Freizeit nach Ablenkung.

Was hält mich?

Man sollte meinen, nach meiner Arbeit hätte ich genug von hellen Bildschirmen gehabt. Aber irgendwie, im Bus nach Hause, nach dem Essen auf dem Sofa oder gar im Bett, ruft mein kleines Gerät nach mir und bittet mich, über seinen glänzenden schwarzen Bildschirm zu streichen. Ich möchte nicht die ganze Schuld meinem iPhone geben – es ist einer der Höhepunkte in der Geschichte des Designs. Bei all dem, was es kann, könnte man sagen, dass es mich zu einem mächtigeren Mann macht als seinerzeit Napoleon. Seine Benutzung gleicht jedoch einem Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbeherrschung und Techniksucht. So wie ich gestrickt bin, bin ich anfällig für digitalen Zucker, egal ob in Form einer Knaller-Schlagzeile, als Automatik-Video auf Instagram, als Minispiel oder Spotify-Playlist.

Am Ende des Tages landete mein Blick dann auf dem neuen Buch, das ich eigentlich lesen wollte, oder auf meiner Schreibmaschine, die dort auf neue Verse wartet. Wo ist meine Zeit hin? Kontrolliere ich mein Telefon oder kontrolliert es mich? Bin ich so leicht zu manipulieren?

Während ich hier schreibe, höre ich tatsächlich Spotify – und drei Bildschirme vor mir warten darauf, mir das neueste Kundenfeedback und die letzten E-Mails und WhatsApp-Nachrichten zu zeigen. Weil nichts warten kann. Oder doch?

Um zum Punkt zu kommen: Während ich ein schneeweißes Punkt. MP01 Mobiltelefon mit mir herumtrug, blieb mein iPhone 120 Stunden lang ausgeschaltet. Ich hatte praktisch alles über das minimalistische Telefon von Punkt., sein Design, seine Funktionalität, den ethischen Ansatz dazu gelesen und konsumiert. Ich wollte es unbedingt ausprobieren und war weder beängstigt noch überfordert, als das MP01 meine einzige Verbindung zur Außenwelt wurde. Ich habe einfach eines Tages damit angefangen, eines mit mir herumzutragen, um für diese andere Form in meiner Tasche ein körperliches Gefühl zu bekommen.

120 Stunden digitale Entgiftung

Was als Probelauf begann, wurde schnell zu meinen 120 Stunden. Ich bin meine Kontakte durchgegangen, habe 15 Telefonnummern ausgesucht, die es wert waren, auf meinem MP01 gespeichert zu werden – und dann habe ich einfach meinen Tag begonnen. In meiner Manteltasche: eines meiner Field Notes-Notizbücher. In den nächsten fünf Tagen habe ich es immer dann herausgeholt, wenn ich Totzeiten hatte. Beim Warten in einem Restaurant oder auf den Bus. Es hat mir einen Vorgeschmack auf das gegeben, was ich jeden Tag tun sollte: für mich selbst schreiben. Ich fing an, Leute zu beobachten, bemerkte neue Details auf meinem Weg zur Arbeit und spürte, wie mir neue Ideen kamen. Der Beginn eines Umdenkens. Das Rechteck aus Papier hat mein glänzendes schwarzes Supercomputer-Rechteck ersetzt.

Das ganze Notizbuch habe ich in diesen fünf Tagen der digitalen Abstinenz nicht vollgeschrieben. Ich arbeite immer noch in einer Kommunikationsagentur, in der das Schritthalten mit der digitalen Arbeit eine wichtige Rolle spielt. Doch ich habe einen nostalgischen Augenblick lang auf das Leben geblickt, das ich als Teenager hatte, wo man weniger verbunden war. „Weniger verbunden“ ist vielleicht der falsche Begriff – ich habe angefangen, Leute anzurufen. Zuerst war mein Bekanntenkreis misstrauisch. War etwas nicht in Ordnung, weil ich anrief, anstatt Nachrichten zu schicken? Meine Freundin befürchtete, eine gewisse Detailliertheit in unserer alltäglichen Planung zu verlieren. Und sicherlich hat es eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen, im Voraus zu überlegen, was man sagen will, anstatt nebenher zu texten. Was mir letztlich am meisten gefallen hat, war, mir in der Mittagspausen einen Moment zu nehmen, um ihre Stimme zu hören und ihr einfach kurz „ich lieb dich“ zu sagen.

In meinem Leben mit dem Punkt. MP01 ist eine gewisse Geräuschkulisse entfallen. Das war eine enorme, unerwartete Erleichterung. Fast war ich enttäuscht, als ich wieder zu meinem iPhone wechselte und von Nachrichten überflutet wurde. Als ich sie durchging, wurde mir klar, dass ich nichts verpasst hatte.

Zusammenfassend bin ich sicher, dass wenn ich mindestens einmal im Monat wieder zum MP01 wechsle, mir das helfen wird, mich besser zu konzentrieren, Momente der Ruhe mehr zu genießen und enger mit mir und meiner Umwelt in Kontakt zu bleiben.

Unterwegs Musik mit dabei zu haben ist toll. Das Papier-Rechteck begleitet mich aber weiterhin, und manchmal, wenn ich das Notizbuch in meiner Manteltasche spüre, lege ich mein Smartphone weg und konzentriere mich auf die wahren Sachen.

David Jasper
Berlin, Deutschland

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