Die Erfüllung des #TravelUnplugged-Versprechens

Matthew Phenix schreibt für AFAR, einem Print- und Online-Verlag mit Sitz in San Francisco, USA.

Zwei Monate im 2G-Netz mit dem zukunftsorientierten MP01 von Punkt. 

Während eines Team-Building-Ausflugs traten kürzlich verschiedene AFAR-Kollegen in einem Quiz gegeneinander an. Zu gewinnen gab es olympische Medaillen aus Schokolade. Eine unserer schwierigeren Fragen war: Wie viele Tastendrucke benötigt man auf einem Handy alter Schule, um das Wort „HELLO“ zu schreiben? Eine harte Nuss und es bedurfte einer erstaunlichen Menge an Versuchen, Geistertippens und Finger-und-Zehen-Arithmetik.

Diese Kollegen – von denen einige das Printprodukt erstellen und andere die digitale Fassung – hatten gerade Wochen damit verbracht, Geschichten über das Aussteigen aus der Online-Welt, das Herunterfahren und Unplugged-Reisen zu schreiben – was zu einer prachtvollen Magazinausgabe und einem äußerst informativen Themenbereich auf AFAR.com führte. Aber wir wurden durch eine Quizfrage zu 2G mattgesetzt. Sie hatten uns mit „HELLO“ geschafft.

Einen Monat später landete ein Paket mit Schweizer Absender auf meinem Schreibtisch. Darin enthalten war ein Willkommensgruß zu einem exotischen neuen Stamm und eine kleinere Schachtel mit einem schokoladenbraunen Handy MP 01 von Punkt. Ein Handy, das sein Hersteller stolz als „Dumbphone“ bezeichnet. Nach zweistündiger Ladezeit und dem Einsetzen einer SIM-Karte stand ich kurz davor, ein Versprechen einzulösen, das ich auch unseren Lesern empfohlen hatte. Ich plante, über eine Woche lang den Einsatz meines vertrauten iPhones langsam zu reduzieren und dann sieben weitere Wochen in meiner privaten Smartphone-Reha zu verbringen.

In den USA unterhält noch genau ein Anbieter das 27 Jahre alte 2G-Netzwerk, welches mein neues Handy von Punkt benötigt. Und es ist kaum das Spitzenangebot von T-Mobile. Das Unternehmen bietet den Service (bis circa 2020 oder so) meist als ein widerwilliges Zugeständnis an Ihre Großmutter und ihr großknöpfiges Jitterbug-Telefon, sowie an ein paar Millionen mit 2G verbundenen Maschinen, die das „Internet der Dinge“ ausmachen.

Das MP 01 von Punkt ist vor allem ein Statement. Wenn man es während eines Business-Lunchs auf den Tisch legt, ist das ein großartiger „Das-war-Absicht“-Moment, in dem die Low-Tech-Option zur High-Minded-Lösung wird. Um es klar zu sagen: Dies ist kein billiges Telefon: Selbst mit der kürzlich erfolgten Preisreduzierung von 30 Prozent ist das MP 01 mit einem Preis von 229 US-Dollar nur für die eifrigsten Digital-Entgifter geeignet. Wie ich, sagt er sich selbst.

Für wen „billig“ das Ziel ist, hält Amazon immer noch eine Auswahl von 2G-Handys von Unternehmen bereit, von denen Sie noch nie gehört haben, und es gibt sogar einen eBay-Nerd-Markt für Semi-Vintage-Handys, insbesondere solch ehemaligen 2G-Stilikonen wie das Motorola Razr V3 und das verrückte Nokia N-Gage. Und letztes Jahr hat Nokia sein beliebtes Modell 3310 im Candy-Bar-Design für die Neuzeit wiederbelebt und eine Kamera, einen MP3-Player und sogar ein paar kleine Facebook- und Twitter-Apps hinzugefügt. Aber dieses Zeug konterkariert den einzigen Grund, 2G in einer 4G-Welt zu umarmen. Keine Facebook-Benachrichtigungen oder eine Kamera auf Instagram zu haben, ist der Grund, warum wir ein solches Telefon haben wollen. Sie als schlechten Kompromiss zu bekommen, lässt einen nur darüber nachdenken, wie schlecht sie tatsächlich sind. Deshalb wurden die Kommentare zu Nokias wiedergeborenem 3310 nach einer kurzen nostalgischen Wallung schnell weniger herzlich.

Das Mobiltelefon von Punkt hat nichts davon – keine Low-Tech-Kamera zum Verhöhnen, keine mikroskopisch kleine Version von Facebook zum Verachten. Das MP 01 macht Anrufe und sendet SMS. („HELLO“ erfordert übrigens 13maliges Tastendrücken; nachdem ich das gemacht habe, plane ich nicht, es noch einmal zu tun.) Empfang und Gesprächsqualität sind in Ordnung, der Akku hält Tage und Tage – und weil tatsächlich niemand mehr irgendjemanden per Telefon anruft, läutet mein Telefon nur äußerst selten und fügt noch mehr Akkutage hinzu. Es gibt keinen GPS-Chip, um den Standort zu bestimmen und keinen NFC-Chip, mit dem Sie Ihren Moccachino mit einem Click bezahlen können. Es gibt jedoch Bluetooth, das heutzutage eher für Freisprechsicherheit als für Freisprechkomfort sorgt. 

Nachdem ich das MP 01 von Punkt in Gebrauch genommen hatte, fand ich viel Zeit, um das beigelegte Buch zu lesen.

Und, nur für die Aufzeichnungen, meine neue monatliche Telefonrechnung beträgt 3$. Das sind drei Dollar. Drei. Aber darum geht es hier wirklich nicht.

Punkt hat die Skepsis gegenüber einem Telefon für 229 US-Dollar, das nur, naja, Telefon-Zeug macht, vorausgesehen. Das clevere Schweizer Unternehmen hat sich zunächst als Lifestyle-Marke und Change-Agent positioniert, erst an zweiter Stelle als Telefonhersteller. Mein Telefon wurde mit einer gebundenen Ausgabe von Sherry Turkles aufschlussreichem Buch „Reclaiming Conversation: The Power of Talk in a Digital Age ausgeliefert und Punkts Social-Media-Accounts sind voller Geschichten über die dunklen Folgen der Künstlichen Intelligenz und gruselige Pannen von Amazon Alexa’s. Und die firmeneigene Digital Detox Challenge hat eine Art Bewegung ausgelöst, komplett mit Twitter-Hashtags wie „#technology_tamed” und einer Homepage voller Geschichten über Smartphone-Pannen und das bessere Leben, das auf der anderen Seite wartet.

Es ist hilfreich, dass Punkts Handy eleganter ist, als ein Handy sein müsste – minimalistisch edel in der Art einer museumsreifen Uhr von Movado. Der vielseitige britische Möbel- und Haushaltswaren-Designer Jasper Morrison entwarf das MP 01, und dessen einfachen runden Tasten und der helle kleine Bildschirm sind einfach unwiderstehlich haute. Das Kunststoffgehäuse ist vielfältig abgewinkelt wie die Oberfläches eines Stealth-Bombers und mit Grübchen bedeckt wie ein Golfball. Es hat genau die richtige Größe, liegt gut in der Hand, und es bekommt Aufmerksamkeit in einem Maße, wie es einem iPhone X niemals gelingen würde.

Aus Sicht von AFAR, ist das MP 01 von Punkt ein überraschend fröhlicher Reisender. Obwohl das 2G-Netz in weiten Teilen Asiens und Australiens bestenfalls lückenhaft ist, müssen mehrere Anbieter in Europa, darunter T-Mobile und Telenor, ihre GSM-Netze erst noch verlassen. Man kann also zumindest noch in den nächsten Jahren den Kontinent mit einem MP 01 in der Tasche durchkreuzen. 

Am Ende boten meine zwei Monate mit einem „Dumbphone“ hin und wieder ein bisschen Auf und Ab, aber nicht aus den von mir erwarteten Gründen. Ich habe nicht mobiles Facebook oder mobiles Twitter oder mobiles Pinterest vermisst und definitiv habe ich keine Kackhaufen-Emojis oder animierte Katzen-GIFs vermisst. Ich habe den Komfort und die Vorteile meiner Starbucks-App und die Möglichkeit, meine schlechte 70er-Jahre-Musik und öffentliche Radio-Podcasts während der Fahrt zur Arbeit (TMI?) abzuspielen, vermisst. Natürlich hat das Fehlen von E-Mail- und Slack-Benachrichtigungen zu Anpassungen meiner Arbeitsgewohnheiten geführt und auf der Straße erforderte der Mangel an Navigationsfunktionalität von Kurve zu Kurve die gelegentliche Verwendung dieser großen Faltpapiersachen. Aber das ist der Sinn der digitalen Entgiftung, oder? 

So waren es acht Wochen mit dem Punkt und dem #TravelUnplugged-Versprechen, und ich fühle mich, naja: schlauer. Ich befinde mich nicht mehr in einem ständigen Online-Zustand, was vermutlich bedeutet, dass ich in gewisser Weise weniger mit einem bestimmten Teil der Welt oder mit der ganzen Welt verbunden bin. Aber ich bin auch weniger beunruhigt von Geschichten über die Missetaten von Unternehmen, die ihre Geschäfte über Smartphones abwickeln und bin noch nicht einmal mehr anfällig für die glamouröseste neue Mobiltechnologie. Ich habe keine Angst mehr davor, in den Regen zu geraten oder meine Ladekabel zu vergessen. Ich lese und schreibe mehr und fotografiere mit einer echten Kamera und lerne sogar, die Ukulele zu spielen. Und ich rede mehr, zu Menschen, mit meiner Stimme. Ich fühle mich größer.

In ihrem Buch erinnert Sherry Turkle an Henry David Thoreau und den wundervollen Kreis, den er am Walden Pond schuf: „Er sagte, dass in seiner Hütte drei Stühle seien – einer für Einsamkeit, zwei für Freundschaft und drei für die Gesellschaft.“ In meinem Leben war das Smartphone ein Reißnagel auf allen drei Stühlen geworden: Es machte mich weniger fähig, allein zu sein, weniger präsent als ein Freund und weniger engagiert als ein Mensch. Das Dumbphone aus der Schweiz hat mich nicht geheilt, aber es hat mir geholfen, mich selbst zu heilen. Und das scheint mir für ein Telefon ziemlich smart zu sein.

Matthew Phenix
New York, USA
 

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