
Ist es nicht an der Zeit eine ausgewogene Beziehung zur Technologie zu starten?
Europäische Uhren werden ab nächsten Sonntag vorgestellt, in Nordamerika erfolgte der Wechsel vor ein paar Wochen. Aber wird die Sommerzeit weniger wichtig? Wenn man sich so umschaut, könnte man sich fragen, ob die Priorität nicht auf dem Tageslicht, sondern auf der Hintergrundbeleuchtung von LCD-Bildschirmen liegt, die in Smartphones und modernen Fernsehgeräten verwendet werden. Und tatsächlich ist diese zusätzliche Stunde Tageslicht am Abend vor allem eine zusätzliche Stunde des Wartens, bis wir jenen satten schwarzen und intensiveren Kontrast nutzen können. Dort, wo es immer wichtiger zu sein scheint: in der virtuellen Welt.
Je mehr Zeit wir mit der Betrachtung von Bildschirmen verbringen, desto weniger wichtig wird Tageslicht – und manchmal, ja, ist es eher hinderlich. Egal, ob Sie Ihre Nachrichten auf dem Weg zur Arbeit checken, Ihr Smartphone im Kreise Ihre Freunde genießen (die jeweils ihre eigenen genießen) oder sich einen Film ansehen: das Tageslicht stört.
Wir haben uns auf diesen Weg begeben, weil wir es wollten. Heutzutage machen wir es größtenteils so, weil wir es halt so machen. Und weil andere wollen, dass wir es so machen.
Wollen Sie wirklich Ihre Zeit auf der Erde so verbringen?
Im Jahr 2016 verließ Google-Mitarbeiter Tristan Harris seinen Job, um eine gemeinnützige Organisation mit dem Namen „Time Well Spent“ zu gründen. Sie hat die Debatte darüber, was Technologie uns abverlangt, weiterverbreitet und zur Schaffung des Center for Humane Technology geführt. Seitdem ist das Thema mit Wucht im Mainstream angekommen und es ist klargeworden, dass es unserem allgemeinen Wohlbefinden nicht guttut.
Die Homepage des Centers zeigt eine eindringliche Montage. Ein typisches Bild eines Smartphones ist kombiniert mit der Fotografie einer Frau. Aber sie wird nicht als Bild auf dem Bildschirm dargestellt. Tatsächlich schaut sie aus dem Telefon heraus und lehnt sich mit verschränkten Armen auf die untere Kante des Bildschirms, als wäre dies eine Fensterbank. Sie scheint glücklich zu sein und die Aussicht zu genießen. Und sie ist in Sonnenlicht gebadet.
Vielleicht macht es Sinn, die jetzt kommenden helleren Abende anders zu nutzen, als auf Pixel zu starren. Und wenn sich die Schlafenszeit nähert, den Sonnenuntergang mit einem digitalen Sonnenuntergang zu verbinden: alles ausgeschaltet, bis auf eine Festnetznummer, die nur der Familie und engen Freunden bekannt ist. Und ein einfacher Wecker (machen Sie sich keine Sorgen, Alexa zu beleidigen. Es/sie wird es weglächeln.) Denken Sie einmal darüber nach, ob Sie ein Teil derjenigen werden wollen, die ihr Smartphone komplett aufgegeben haben, und stattdessen ein einfaches Telefon mit einem Laptop oder Tablet kombiniert haben (viel besser zum Tippen). Heutzutage klingen diese Ideen fast radikal, aber aus Sicht der Biologie sind sie genau das, was Ihr Gehirn will. Daher die medizinischen Nebenwirkungen bei übermäßigem Gebrauch von Technologie.
Angeblich soll die Sommerzeit die Lebenserwartung der Bürger eines Landes erhöhen – wegen der scheinbaren Abnahme von Verkehrsunfällen. Das gilt auch für das Telefonieren während der Fahrt, welches deshalb natürlich zu verbieten ist (mit einem viel deutlicheren Kausalzusammenhang). Handys sind auch auf andere Art und Weise gefährlich: Scroller laufen in den Verkehr, Selfie-Trophäenjäger wagen ein Risiko zu viel, usw. Aber der übermäßige Gebrauch von Technologie reduziert unser Leben auch auf andere Weise – zunehmend und unausweichlich. Er zwingt uns eine verengte Existenz auf, in der wir weniger fokussiert, weniger ausgeruht und somit weniger wach sind. Übermäßiger Gebrauch frisst unser Leben auf – und wird zur Norm.
Zeit für ein Umdenken?