Sherry Turkle

Sherry Turkle ist als MIT-Professorin in den Bereichen Kultur und Therapie, Mobiltechnologie, soziales Netzwerken und soziale Robotik tätig. Zu ihren Büchern gehört der NYT Bestseller Reclaiming Conversation: The Power of Talk in a Digital Age. Ihr TED-Vortrag „Connected but Alone“, der sich mit den Paradoxien unserer Tether-Existenz beschäftigt, wurde über fünf Millionen Mal gesehen.

Frage 1 - Welche Art von Geräten verwenden Sie und wie?

"Ich habe ein MacBook Air, und es ist mein ständiger Begleiter. Zurzeit schreibe ich ein neues Buch. Das MacBook benutze ich für meine Notizen, Entwürfe, Recherchen und E-Mails. Ich schreibe an vielen Orten, selten am Schreibtisch. Mein Laptop ist meine geistige Heimat. Ich habe auch ein iPhone. Das benutze ich unterwegs für E-Mails, Textnachrichten und Reise-Apps, zum Zeitung lesen und twittern. Mein iPad ist mein Stiefkind: Für unterwegs trage ich mein Handy und mein MacBook bei mir, denn mit drei Geräten zu reisen ist schlicht zu viel. Zu Hause schaue ich damit Filme."

Frage 2 - Effektivität erfordert Konzentration. Wie anfällig sind Sie für die Ablenkungsindustrie?

"Ich bin sehr anfällig dafür und mir dessen gleichzeitig voll bewusst. Ich denke, das ist das ist der bestmögliche Umgang mit der Situation. Diese Geräte und Apps sind so konzipiert, dass wir an ihnen dranbleiben, doch mittlerweile wissen wir ja alles über die Politik ihrer Verführung. Wenn ich an meinem Laptop sitze, konzentriere ich mich auf das Schreiben. Ich habe eine Deadline und eine Leidenschaft. Mein Feind ist nicht so sehr die Ablenkungsindustrie (ich bin vorgewarnt, emotional gewappnet), das sind eher meine Mails. Die Versuchung dabei ist, sich lieber mit E-Mails zu beschäftigen, wenn sich mal ein Absatz quer stellt oder ein Kapitel nicht funktioniert. Schwierige Arbeit zu erledigen, erfordert, sich ein Problem anzuschauen, das unlösbar scheint, und immer weiter draufzuschauen. Es ist gut, Pausen einzulegen, um Musik zu hören, einen Spaziergang zu machen oder aufs Wasser zu stieren (ich habe das Glück, dass ich viel am Meer schreiben kann). Eine Stunde Pause, in der ich E-Mails erledige, ist eine andere Art von Unterbrechung. Sie stört meine Gedankengänge. Ich diszipliniere mich also dazu, mir „freie Tage“ für E-Mails zu nehmen oder bestimmte Zeiten für die Erledigung von Mails festzulegen. Da viel von meiner Arbeit über E-Mail läuft, muss ich mir dafür viel Zeit nehmen. Nehme ich mir nicht genügend Zeit dafür, wird mein Kopf nicht frei für meine kreative Arbeit. Der Trick ist jedoch, die E-Mail-Zeit von der Kreativzeit zu trennen."

Frage 3 - Prominente Persönlichkeiten aus dem Silicon Valley sind dafür bekannt, den Kontakt ihrer Kinder mit der Technik stark einzuschränken. Madonna sagte vor kurzem, sie glaube, dass es ein Fehler war, ihren älteren Kindern schon mit 13 Jahren ein Telefon gekauft zu haben. Sehen Sie Unterschiede zwischen Menschen, die aufgewachsen sind, bevor es Smartphones gab und solchen, die danach aufgewachsen sind?

"Smartphones können uns die Fähigkeit zur Langeweile nehmen und die Fähigkeit, alleine zu sein. Das sind zwei wichtige Dinge. Wenn wir uns langweilen, leistet unser Gehirn wertvolle Arbeit und es werden wichtige neuronale Bahnen angelegt. Die Fähigkeit, alleine zu sein, ist Herzstück unserer Fähigkeit zu Intimität. Um es mit dem großen Psychoanalytiker D.W. Winnicott zu sagen: „Wenn du deinen Kindern nicht beibringst, allein zu sein, werden sie nur wissen, wie man einsam ist.“ Der Einzelne muss sich mit sich selbst zufrieden fühlen, um in einen echten Dialog mit anderen treten zu können. Kinder – auch Säuglinge und Kleinkinder –, die ständig Bildschirme angeboten bekommen, tun sich schwer mit der Fähigkeit, sich zu langweilen oder alleine zu sein. Es empfiehlt sich also, Kindern hier einen Vorsprung zu verschaffen und ihnen die Zeit zu geben, sich ohne ständige Ablenkung zu entwickeln. Das wird ihnen für den Rest ihres Lebens nutzen. Natürlich muss aber jedes Kind mit den Werkzeugen seiner Zeit leben, und es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihre Kinder in digitale Geräte aller Art ebenso wie in die Welt der sozialen Medien, Spiele und Apps einzuführen und ihnen die emotionale Kompetenz zu vermitteln, die diese Geräte erfordern."


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